Groß- und Kleinschreibung im Deutschen: Regeln und Beispiele (Sprachliche Zweifelsfälle II)

Die Frage der Groß- und Kleinschreibung eines Wortes lässt sich in der deutschen Sprache nicht immer ganz einfach entscheiden. Um großzuschreibende Wörter zu identifizieren, muss zwar grundsätzlich nur einer der folgenden Punkte auf sie zutreffen:

  • Sie gehören zur Wortart Substantiv oder es handelt sich um bestimmte Formen der Anrede- oder Possessivpronomina (z. B. Höflichkeitsformen).
  • Sie bilden die Einleitung einer bestimmten Art von sprachlichen Einheit – zu erkennen in vielen Fällen an einem bestimmten vorangehenden Satzzeichen.

Das klingt erst einmal nicht sehr kompliziert. Doch das korrekte Ermitteln dieser Aspekte der Groß- und Kleinschreibung birgt einige Herausforderungen, die schnell Fragen aufwerfen…

Symbolisch für sprachliche Zweifelsfälle und Verwirrung beim Schreiben wie sie auch durch Fragen zur Goß- und Kleinschreibung entstehen drei Fragezeichen und ein Stift

Schwierigkeiten der Groß- und Kleinschreibung

Substantive erkennen

Substantive werden großgeschrieben. Eine einfache Regel, kein Problem – oder?! Meist ist es wirklich so simpel, mitunter kommt es hierbei aber doch zu Verwirrung und Irrtümern. Denn ein Substantiv ist eben nicht immer auf den ersten Blick ganz zweifelsfrei als solches zu identifizieren. Und umgekehrt wirkt auch schon einmal ein Wort anderer Art irrtümlich wie ein Substantiv. Wie kommt das?

Worte sind grundsätzlich dann als Substantiv großzuschreiben, wenn es möglich (nicht zwingend notwendig!) wäre, ihnen einen Artikel oder ein Attribut zuzuordnen. Das gleiche Wort kann also sowohl als Substantiv – dann großgeschrieben – als auch beispielsweise als Adjektiv – dann kleingeschrieben – eingesetzt werden. Entsprechend gilt: Ein Wort wird nicht durch seine Form, sondern erst durch seine Verwendung im Satz zum Substantiv.

Diese Spielart der Groß- und Kleinschreibung kann wie nachfolgend veranschaulicht immer wieder für Verwirrung sorgen.

  • In das Rot der Rosenblüte ist Rot ein Substantiv und muss somit großgeschrieben werden. In die Rosenblüte ist rot ist rot hingegen ein Adjektiv und deshalb kleinzuschreiben.
  • In Er ist daran schuld ist schuld ein Adjektiv und somit kleinzuschreiben. In Er trägt daran (die) Schuld wird Schuld hingegen (erkennbar an der Möglichkeit der Zuordnung des Artikels die) zum Substantiv und muss aus diesem Grund großgeschrieben werden.

Noch schwieriger wird es, wenn zusätzliche Faktoren in die Entscheidung über die Groß und Kleinschreibung einbezogen werden müssen. Nachfolgend gehe ich auf ein paar Beispiele ein, die meiner Erfahrung nach häufig Schwierigkeiten bereiten.

Adjektive, Partizipien, Adverbien

In Wir gehen zusammen durch dick und dünn wird durch dick und dünn kleingeschrieben. Denn es handelt sich um eine feste adverbiale Wendung (Präposition + nicht dekliniertes Adjektiv ohne Artikel). Diese Wendung scheint auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit der in Das gefiel Arm und Reich zu haben – warum werden also also hier die nicht deklinierten Adjektivformen Arm und Reich großgeschrieben?!
Die Antwort: Weil sie durch ihre Verwendung substantiviert werden, denn es handelt sich um eine substantivisch gebrauchte Paarformel. Diese wird üblicherweise präpositionslos verwendet (dabei ist unerheblich, dass man ihr wahlweise auch eine Präposition voranstellen könnte, es kommt auf die übliche Verwendung an).

Achtung, jetzt wird es noch komplexer! Wenn eine Wendung mit fester Präposition dekliniert wird, also eine Flexionsendung bekommt und keinen Artikel aufweist, ist sowohl Groß- als auch Kleinschreibung zulässig, weil die Form als Auvstantiv oder Adjektiv gedeutet werden kann: Ich befasse mich seit Längerem/längerem mit der Groß- und Kleinschreibung.

In Formulierungen wie Wir halten uns stets auf dem Laufenden, Alles wendet sich am Ende zum Guten oder Uns liegt der Einzelne am Herzen müssen die deklinierten Adjektive hingegen großgeschrieben werden. Denn sie sind hier substantiviert, weil sie gemeinsam mit einem Artikel bzw. einem mit einer Präposition verschmolzenen Artikel auftauchen.

Sonderfall Superlativ

Nicht ganz anspruchslos hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung ist auch der Superlativ: In Das ist der beste Weg zum Erfolg wird beste kleingeschrieben (der Artikel der bezieht sich hier nämlich auf das Substantiv Weg, nicht auf den Superlativ beste). Aber in Es ist das Beste, die Regeln der Groß- und Kleinschreibung zu beherzigen wird Beste durch Substantivierung (Artikel das bezieht sich auf Superlativ Beste) zum Substantiv und muss dann großgeschrieben werden.

So weit, so gut. Kann man sich merken, oder?! Aber jetzt kommt – wie passend – das schwierigste: Es gibt noch ein paar weitere Regelungen bezüglich des Superlativs:

  • Mit am wird der Superlativ kleingeschrieben, sofern er mit wie? erfragt werden kann und am nicht durch an dem ersetzbar ist.
    Beispiel: Das gefällt mir am besten.
  • Steht der Superlativ in festen adverbialen Verbindungen mit aufs oder auf das und kann mit wie? erfragt werden, darf er sowohl groß- als auch kleingeschrieben werden.
    Beispiel: Das verurteile ich aufs Schärfste/schärftste.
Signalwörter

Eine kleine Hilfestellung zum Erkennen substantivierter Wörter gibt es. Man sollte auf ein paar Signalwörter achten, die auf Substantivierungen und somit Großschreibung hinweisen:

  • alles
  • allerlei
  • genug
  • etwas
  • nichts
  • viel
  • wenig

Folgt auf diese Wörter ein Adjektiv oder Partizip, ist dieses substantiviert und muss großgeschrieben werden. Aber Vorsicht! Das bedeutet nicht, dass ausschließlich auf diese Wörter folgende Adjektive oder Partizipien substantiviert und großzuschreiben sind. Und ebensowenig gilt diese Regel für die Groß- und Kleinschreibung anderer Wortarten.

Der knifflige Infinitiv

Ein besonders kniffliger Fall ist auch der Infinitiv, der in substantivierter Form natürlich ebenfalls großgeschrieben wird. Zweifelsfrei zu erkennen ist dies, wenn ihm ein Artikel (das Schreiben), ein Attribut (schönes Schreiben) oder eine Präposition (beim Schreiben) zur Seite stehen. Doch ohne diese kennzeichnenden Worte ist eine Unterscheidung von substantiviertem Infinitiv und Verb mitunter unmöglich. Entsprechend ist z. B. für SCHREIBEN in WIR LERNEN SCHREIBEN die Groß- und Kleinschreibung zulässig: Wir lernen schreiben/Schreiben.

Spracheinheiten identifizieren

Jedes Wort wird großgeschrieben, wenn es eine bestimmte Form von Spracheinheit einleitet. Scheint zunächst eine klare Regelung. Aber welche Spracheinheiten zählen denn überhaupt dazu?! Hierfür muss erst einmal deutlich werden, um was es sich denn eigentlich grundsätzlich handelt.

Generell sind sprachliche Einheiten die Bestandteile des Sprachsystems. Es gibt sie sozusagen in allen Größen: von Lauten über Phoneme zu den kleinen Morphemen, dann über Wörter, Satzglieder und Teilsätze hin zu Sätzen und schließlich Texten bis gar zu ganzen Diskursen. Dabei gibt es Sonderfälle wie unterschiedliche Arten von Titeln/Überschriften, Aufzählungspunkte u. Ä. Allgemein gilt folgende Grundregel.

Großzuschreiben sind die einleitenden Wörter für:

  • Sätze
  • Überschriften
  • Werktitel

Satzzeichen deuten

Überschriften und Werktitel sind problemlos erkennbar. Etwas komplexer kann es sein, den Beginn eines Satzes auszumachen. Man erkennt ihn daran, dass dem Wort ein Satzzeichen vorangeht – aber nicht irgendeines, denn nur bestimmte können die vorherige Spracheinheit beenden und so auf den Beginn eines neuen Satzes hinweisen!

Punkt, Ausrufezeichen und Fragezeichen bereiten hier i. d. R. keine Probleme (auch wenn ich soeben veranschaulicht habe, dass auch nach einem Punkt nicht immer großgeschrieben wird – nämlich dann nicht, wenn er zur Abkürzung eines Wortes anstatt zum Beenden eines Satzes dient). Doch bei einem anderen Satzzeichen kommt es mitunter zu Schwierigkeiten.

Verwirrender Doppelpunkt

Insbesondere hinsichtlich der Schreibung nach einem Doppelpunkt herrscht häufig Unsicherheit. Vielfach wird hier grundsätzlich groß- oder immer kleingeschrieben, offenbar im Irrtum, hier bestehe immer Wahlfreiheit. Jedoch gibt es klare Regelungen (s. Tab. 1), die in bestimmten Fällen Groß-, in anderen Kleinschreibung vorschreiben und nur in Ausnahmefällen die freie Wahl lassen.

GroßgeschriebenKleingeschriebenGroß- und Kleinschreibung erlaubt
erstes Wort eines voll-, d. h. selbstständigen Satzeseinzelnes Wort (Das Essen war wie immer: köstlich.)

Aufzählung aus Nichtsubstantiven (Das Wetter war schlecht: kalt, grau und regnerisch.)

Nebensatz/-sätze (Mich freut beides: dass ihr diesen Text lest und Sprache liebt.)

zitierte Wörter/Wortgruppen (Ich habe geschrieben: die einleitenden Wörter.)
Aussprüche/Wendungen (Bei Fragen zur Groß- und Kleinschreibung hilft lektor-rasch: Kein/kein Problem!)
Tab. 1: Schreibung nach Doppelpunkt

Alles klar?

Konnte ich alle Unklarheiten zur Groß- und Kleinschreibung beseitigen? Oder sind noch Fragen offen geblieben? Dann hinterlasst mir gerne hier einen Kommentar und ich antworte direkt oder gehe sogar in einem eigenen Artikel darauf ein! Und im bleibenden Zweifelsfall reicht eure Texte doch einfach zum Lektorat und/oder Korrektorat ein – z. B. bei der Sprachexpertin von lektor-rasch! Die passenden Angebote für euren individuellen Bedarf habe ich euch unten noch einmal verlinkt.

Quellen, Links & Weiterführendes

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