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Testlesen beim Romanmanuskript – Interview mit Anne Fuchs

Autorin Anne Fuchs gibt ein Interview über das Testlesen ihres Romanmanuskripts

Ihr bevorstehendes Fantasyroman-Debüt „IOTA – Das Geheimnis der Blutaura“ durfte ich u. a. inhaltlich lektorieren. Doch Anne Fuchs hat das Manuskript darüber hinaus auch mehrfach testlesen lassen. Im Interview erzählt sie, was ihr das für den schriftstellerischen Schaffensprozess gebracht hat und in welchem Verhältnis es ihrer Ansicht nach zum Inhaltslektorat steht. Außerdem gibt sie praktische Tipps für die Suche nach und Kommunikation mit Testlesenden.

Hanna: Schon vor meinem inhaltlichen Lektorat hast du ja „IOTA“ erstmals testlesen lassen. Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht?

Anne: Ehrlich gesagt: Vor dem Lektorat war es eher so ein Ausprobieren. Was ich als Feedback bekommen habe, war auch eher mau. Die Testleser haben eher so was gesagt wie: ‚Ja, ist schön.‘ Und damit kann man als Autor ja nicht so wirklich viel anfangen. Man braucht ein konstruktives Feedback, auch zu bestimmten Szenen.

Vor dem Lektorat war es eher so ein Ausprobieren.

Anne Fuchs über das Testlesen ihres ersten Romanmanuskripts

Hanna: Und nach dem Inhaltslektorat war das anders?

Anne: Ja, vor allem weil ich nach dem Lektorat auch einfach wusste, wonach ich suche. Also: Was will ich von den Lesern?! Ich wusste durch dich dann auch einfach, wo da ‚Baustellen‘ sind, und habe spezifischer nachgefragt: ‚Ist das hier logisch an dieser Stelle?‘ Denn wenn man selber in seiner Geschichte drin ist, ist es alles irgendwo logisch. Man ist in dieser Welt drin. Aber man wird auch sehr schnell betriebsblind. Für mich persönlich war es besser, zuerst das Lektorat machen zu lassen, aber anschließend auch Testleser drüber gucken zu lassen.

Hanna: Dann würdest du künftig grundsätzlich erst nach dem ersten Lektorat testlesen lassen?

Anne: Stimmt, also ich persönlich würde das immer so machen: Zuerst ein inhaltliches Lektorat drüber laufen lassen und dann über das, was ich da mit dem Lektor, mit der Lektorin zusammen erarbeitet habe, die Testleser laufen lassen sozusagen.

Für mich persönlich war es besser,
zuerst das Lektorat machen zu lassen.

Fuchs über die Reihenfolge von Inhaltslektorat und Testlesen bei ihrem ersten Roman

Hanna: Und dann hast du aber wirklich ein konstruktives und schriftliches Feedback gekriegt?

Anne: Ja, nachdem das Lektorat gelaufen war, hatte ich die Idee, dass die Testleser mehr einen Fragebogen ausfüllen. So als roten Faden, dem sie folgen können. Und die Feedbacks kamen dann in unterschiedlicher Form. Also einer hat regelmäßig nach einem Kapitel oder zwei mit mir telefoniert. Und eine andere hat Feedback über das gesamte Buch gegeben. Das war dann ein kurzer Text. Und noch eine andere hat sich lieber an den Fragen entlang gehangelt und die beantwortet.

Hanna: Du verfährst mit den Feedbackbögen also eher optional: Sagst, es wäre schön, sie ausgefüllt zurückzubekommen, das ist aber kein Muss?

Anne: Richtig. Ich schreibe auch immer dazu, das sollen Leitfragen sein. Die müssen nicht akribisch genau beantwortet werden. Es sind viele Ja-Nein-Fragen dabei. Aber auch einige, wo sie ein bisschen was zu schreiben können, wenn sie das wollen. Und allein wenn man sich den Fragebogen nur durchliest, bekommt man schon eine ziemlich gute Idee davon, was die Autorin eigentlich von einem wissen will.

Feedbacks kamen dann in unterschiedlicher Form.

Fuchs über den Erfolg des Einsatzes von Fragebögen

Hanna: Wie hast du denn deine Testleser und Testleserinnen gefunden?

Anne: Am Anfang hab ich da gesucht, wo ich war: in meiner Familie, im Bekanntenkreis und so weiter. Ich hab natürlich auch erstmal die angesprochen, von denen ich weiß, sie lesen Fantasy oder Science-Fiction, wo mein Roman am besten rein passt. Und dann sitzt man auf heißen Kohlen und wartet und fragt mal vorsichtig nach: ‚Hast du schon angefangen?‘ Und meistens kommt dann so ein ‚Hach, momentan hab ich keine Zeit.‘ Von zehn Testlesern hab ich dann von zweien ein Feedback gekriegt.

Hanna: Welche Wege bist du später gegangen?

Anne: Außerhalb des eigenen Bekannten- oder Verwandtenkreises bin ich über Social Media gegangen, außerdem über den Freund eines Freundes eines Freundes und so weiter. Und auch da ist es so: Man schickt unglaublich viele Anfragen raus und kann froh sein, wenn man fünf oder sechs zurückbekommt.

Tretet aus der Komfortzone raus!

Fuchs über die Suche nach Testleser*innen

Hanna: Aber dann fühlen sich die Leute etwas – blöd gesagt – verpflichteter, weil man eben nicht persönlich befreundet ist?

Anne: Genau. Also als Tipp: Tretet aus der Komfortzone raus! Und versucht über Social Network Leute zu finden, die euch nicht persönlich kennen. Wo halt einfach eine gewisse Distanz da ist. Ich glaube, das macht das Ganze so ein bisschen – gefühlt – professioneller.

Hanna: Und hattest du bei den Testleserinnen und -lesern noch weitere Auswahlkriterien?

Anne: Die Testleser sollten der Zielgruppe des Romans entsprechen. Da sollte man dann schon nachfragen: ‚Was für Bücher magst du so, was liest du gerne‚ in welche Welten kannst du dich gut einfinden?‘ Außerdem hatte ich am Anfang ganz, ganz viele Frauen und hab dann wirklich speziell nach Männern gesucht – und dann auch zwei, drei gefunden. Und dann sollte man auch gucken, dass man alterstechnisch eine große Range hat. Das heißt: Man sollte vielleicht auch Ältere oder Jüngere suchen, die womöglich einen etwas anderen Sprachstil pflegen und eine andere Form oder Struktur bevorzugen.

Die Testleser sollten der Zielgruppe des Romans entsprechen.

Fuchs über die Auswahlkriterien für Testlesende

Hanna: Welche besonderen Ergebnisse bringt diese breite Altersrange?

Anne: Die Frage ist dabei: Krieg ich diese älteren oder jüngeren Testleser trotzdem dazu, durch meinen Roman durchzukommen? Mit dem Inhalt würde ich sie wahrscheinlich kriegen, aber krieg ich sie auch mit dem Schreibstil? Denn es geht ja auch beim Testlesen nicht nur um den Inhalt. Ich kriege hier zwar natürlich kein so umfangreiches und professionelles Feedback wie von einem Lektor oder einer Lektorin, aber ich bekomme von den Testlesern natürlich auch zum Schreibstil ein paar Ideen.

Hanna: Könnte man bei dieser Vielfalt innerhalb der Testlesegruppe dann nicht sogar schon von einer Art Marktstudie – natürlich im Kleinen – sprechen?

Anne: Absolut! Die Feedbacks grenzen die Zielgruppe noch ein. Wenn zum Beispiel ganz Junge sagen, ‚Damit kann ich überhaupt nichts anfangen‘, oder die deutlich Älteren, ‚Nee, sowas lese ich nicht‘, kann ich daran die Grenzen meiner Zielgruppe ablesen.

Hanna: Und wie lange muss man deiner Erfahrung nach in einer Testleserunde nach dem Inhaltslektorat auf die Feedbacks in etwa warten?

Anne: Also ich frag immer den Testleser, wie lang er normalerweise für ein Buch derselben Länge braucht. Und als Faustregel geb ich ihm dann gute anderthalb bis zwei Wochen länger. Sonst sitzt man auf heißen Kohlen, wartet und ist frustriert, wenn man noch kein Feedback bekommt.

Eine Pause tut einem auch gut.

Fuchs über das Warten auf die Testlese-Feedbacks

Hanna: Würdest du sagen, in der Phase des Testlesens sollte man selbst einfach gar nichts am Text machen?

Anne: Stichworte aufschreiben geht, auf jeden Fall. Ich hab dann zum Beispiel notiert, wenn etwas in eine Szene ganz gut rein passte – aber in ein extra Dokument, nicht in das Dokument, was die Testleser haben! Sonst sucht man sich dumm und dämlich. Und: Eine Pause tut einem auch gut.

Hanna: Ist das vielleicht auch gar nicht schlecht, um ein wenig Abstand zu gewinnen und dann das Feedback auch mit ein bisschen Distanz sehen zu können?

Anne: Ganz genau. Sonst versteht man vielleicht auch einfach das Ziel des Feedbacks nicht, weil man so betriebsblind geworden ist.

Hanna: Und hat dir das Testlesen im Unterschied zum Lektorat noch mal Einblicke in eine Leserperspektive geliefert?

Anne: Ja, vor allem aus einer breiteren Sicht. Denn hier sind noch einige Dinge aufgefallen, die mir und dir beim Lektorat noch nicht so aufgefallen waren. Wo ich dann auch noch mal dreimal um die Ecke denken musste. Das hat wirklich geholfen. Gerade wenn ein Feedback relativ oft hintereinander gekommen ist. Ich habe manches davon mit dir besprochen und mal geguckt: Kann man das irgendwie mit einbauen, ist das sinnvoll?!

Das Testlesen ist wie so eine Umfrage.

Fuchs über die Ergebnisse des Testlesens

Hanna: Ja, ich erinnere mich. Einiges davon hatten wir ja sogar auch vorher schon mal angeschnitten…

Anne: Definitiv! Angeteasert hattest du manches schon im Lektorat, das weiß ich noch. Den Mut zur Überarbeitung hab ich danach allerdings erst gefasst, nachdem mir so zwei, drei Testleser dazu auch noch mal Feedback gegeben haben.

Hanna: Verständlich. Denn wenn strukturell was nicht optimal ist, muss ja meist viel verändert oder gar dazugeschrieben werden. Das ist ja dann ein großer Schritt und noch mal viel Arbeit.

Anne: Richtig. Das Testlesen ist wie so eine Umfrage. Und je mehr Leute sich an einem Punkt quasi stoßen, desto eher denkst du mal drüber nach: ‚Das sollte ich dann doch vielleicht mal ändern‘.

Es ist Gold wert, auf jeden Fall!

Fuchs über den Wert des Testlesens beim Romanschreiben

Hanna: Siehst du hier aus Perspektive der Autorin auch eine Gemeinsamkeit von Lektorat und Testlesen?

Anne: Ja, bei beidem muss man meiner Meinung nach offen sein für die Kritik von anderen. Klar ist es immer noch meine Geschichte, es ist immer noch mein Baby. Aber ich möchte die ja für andere schreiben. Und die können nicht den gleichen Gedankenfaden haben wie ich – geht ja nicht, wir sind ja verschiedene Menschen. Aber sie müssen es nachvollziehen können.

Hanna: Und wenn wir das erreichen möchten, ist Testlesen in Ergänzung zum Inhaltslektorat aus deiner Sicht ein geeigneter Weg?

Anne: Es ist Gold wert, auf jeden Fall!

Links & Weiterführendes

  • Mehr über Anne Fuchs auf ihrer Website

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